Das C in New Work
steht für Culture.
Interview mit Michael Ostertag
Als Agentur mit langjähriger Erfahrung und Fokus auf Messeplanung und -gestaltung musste SCHMIDHUBER in den vergangenen zwei Jahren ihr Kerngeschäft neu denken. Wir sprechen im Interview mit Michael Ostertag über den Wandel des Business und die Unternehmenskultur seit 2020 und werfen einen Blick auf mögliche zukünftige Optionen rund um das Thema New Work Culture.
Was bedeutet Kommunikation im Raum für Sie? Wie würden Sie das für sich definieren?
Kommunikation im Raum beschreibt schlussendlich immer den Ort oder auch die Zeit, wo Menschen Themen begegnen. Früher wurde das Thema Kommunikation im Raum stärker im Sinne von identitätsstiftender Architektur verstanden. Man hat Werte gebaut, erlebt, Räume haben beeinflusst. Heute liegt der Fokus vielmehr auf gesellschaftlich relevanten Strömungen.
„Räume können Menschen bewegen, sich anders zu verhalten. Den Raum dafür zu nutzen, das ist für mich eigentlich der Kern von Kommunikation im Raum.”
Michael Ostertag | Partner bei SCHMIDHUBER
Durch die Pandemie hat sich viel verändert, im Privatleben wie auch im Arbeitsleben. Hat sich dadurch auch Ihre Definition von Kommunikation im Raum verändert oder ist sie sozusagen nur neu ausgerichtet worden?
Ich glaube weder noch. Die Pandemie ist ein furchtbares Ereignis gewesen und hat uns natürlich als Unternehmen beeinflusst. Nicht nur aber auch aus diesem Grund, haben wir neue Geschäftsfelder aufgebaut oder schneller vorangetrieben als zuvor geplant. Aber an meiner Haltung zum Thema Kommunikation im Raum, was die Bedeutung oder die Definition angeht, hat sich dadurch eigentlich gar nichts verändert.
Auch wenn der Kern der Selbe bleibt – welchen Einfluss hatten die letzten zwei Jahre auf die Unternehmenskultur von SCHMIDHUBER?
Da es uns mehr um ein Leitbild a la „wie wollen wir zusammenarbeiten“ geht möchte ich das gerne von der Pandemie trennen. Das Ganze ist ein Prozess, der schon sehr viel länger andauert, als über die letzten zwei Jahre. Die Pandemie hat gewisse Prozesse jedoch beschleunigt. So hat sich unsere Unternehmensausrichtung stark verändert. Wir stellen uns nun noch breiter auf und fokussieren nicht mehr nur auf das Kerngeschäft, welches durch Ereignisse wie die Pandemie durchaus gefährdet wird. Neben dem klassischen Messe- und Experience Design, spielen wir aktiv Future Work, Retail und hybride Formate viel stärker nach außen.
Stichwort Homeoffice und Hybridmodelle. Wie sind Sie denn in den letzten zwei Jahren damit bei SCHMIDHUBER umgegangen und wie wird sich das zukünftig verändern?
Technisch gesehen war das keine große Umstellung für uns, da wir schon immer viele Kund:innen oder Projekte weltweit hatten und Mitarbeitende nicht nur von München aus beteiligt waren. Durch unsere bisherige Remote Work Infrastruktur hat uns das dann nicht so schwer getroffen. Viel mehr hat der fehlende Austausch – menschlich aber vor allem auch des Wissens, gerade in Kreativ- und Gestaltungsphasen gefehlt. In den Phasen wo Ideen entstehen und Konzepte entwickelt werden ist dieser Austausch und die Reibung sehr wichtig. Das ganze hybrid zu meistern war unsere Aufgabe. Wir hatten Teams, die im Büro arbeiten wollten und wir hatten Mitarbeitende, die familiär- und homeschooling-bedingt zuhause arbeiten wollten. Beidem sind wir gerecht geworden. Ich denke, dass ist auch ein Teil unserer Unternehmenskultur.
Wie hat denn in den zwei Jahren die Integration von neuen Mitarbeitern bei SCHMIDHUBER in bestehende Teams stattgefunden?
Das war weder für neue Mitarbeitende noch für das Kernteam die beste Situation. Ich glaube, wir hatten Mitarbeitende, die haben wir erst nach einem Jahr wirklich persönlich kennengelernt. Wir haben bei uns ein internes Mentoring. Alle neuen Mitarbeitenden haben Ansprechpersonen, die nicht nur bei der Arbeit sondern auch z.B. bei der Wohnungssuche weiterhelfen können. Am wichtigsten ist natürlich das Vernetzen. Das hat auch digital sehr gut geklappt – so hatten wir z.B. auch eine virtuelle Weihnachtsfeier.
Haben neue Mitarbeiter die Möglichkeit die Unternehmenskultur mitzugestalten und achten Sie bei der Bewerberauswahl auch auf deren Inputs und Ideenansätze?
Ja, unbedingt. Wir suchen die Bewerber:innen schon nach einem gewissen Schema aus, denn man muss die Bewerbungsflut ja auch filtern. Wir gehen hier mit den Menschen gemeinsam längere Wege. Früher hieß es mal SCHMIDHUBER Family. Ich würde es viel mehr Collaboration Space nennen, in dem wir Menschen mit einem gemeinsamen Ziel vereinen. Ich wäre manchmal gerne wieder Student, weil mir diese tägliche Dosis an Neuem wirklich fehlt. Umso wichtiger sind neue Mitarbeitende mit frischen Ideen und neuen Perspektiven. Diese finden bei uns auch ihren Raum, denn ein Teil unserer Kultur ist es eben auch, alles sehr demokratisch anzugehen und das auch zu leben.
Das klingt gut. Was macht denn Ihrer Meinung nach das Büro – neben der gelebten Kultur – zu einem Sehnsuchtsort?
Ich denke am wichtigsten ist es, die richtigen Leute am richtigen Ort zu versammeln. Wenn alle für ihre Sache brennen und motiviert sind, können nur gute Dinge entstehen. Damit meine ich nicht nur Arbeitsergebnisse, sondern eben auch eine entsprechende Atmosphäre. Und diese Atmosphäre, die sich durch eine gelebte Unternehmenskultur auszeichnet, kann das Büro zu einem Sehnsuchtsort machen. Letztlich geht es viel mehr um die Menschen, als um einen Ort oder Raum. Passend zu dem Thema empfehle ich auch den Podcast von Michael Trautmann „On The Way To New Work“. Hier werden viele verschiedene Sichtweisen auf das Thema New Work beleuchtet und auch Fragen rund um die Zusammensetzung von Teams diskutiert.
Spannend ist, wie radikal kontrovers man Teams zusammenbaut. Baut man z.B. bewusst Radikale, die Bestehendes auch hinterfragen, in Teams ein, damit Neues entsteht?
Michael Ostertag | Partner bei SCHMIDHUBER
Dazu kommen Faktoren wie intrinsische und extrinsische Motivation. Was motiviert mich, ins Büro zu gehen? Meistens ist es der Austausch mit den Kolleg:innen. Es gibt Kunden, die zu einstündigen Meetings einladen, in denen dann nur über privates gesprochen wird. Das ist etwas vom Arbeitgeber initiiertes und kann etwas bemüht wirken. Da man seine Kolleg:innen und Mitarbeitenden oft häufiger sieht, als Familie oder Partner:innen, sollte vor allem die Chemie stimmen. Ich denke, man muss einen Sinn im eigenen Tun sehen. Wenn man die Frage „Wieso gehe ich da hin“ für sich beantworten kann, ist der Arbeitsplatz vielleicht schon ein solcher Sehnsuchtsort.
Gemeinschaftsfördernede Formate sind auch im Büro wichtig. Können Sie uns Ihre Formate genauer erläutern?
Uns war es immer wichtiger, ein gemeinsames Leitbild zu entwickeln, als Wirtschaftlichkeit oder Erfolg zu planen. Wenn man es schafft, gute Menschen gut arbeiten zu lassen, dann wird das Ergebnis am Ende besser und das ganze wird zum Selbstläufer. Dadurch nehmen andere mehr wahr, woran man glaubt. Das wiederum zieht Menschen an, die auch daran glauben. Wir haben mit unseren Formaten dafür gesorgt, dass sich die Menschen einbringen.
Mit unseren „Sixty Minutes“ können alle im Haus den anderen ein Thema vorstellen, dass ihn oder sie interessiert oder inspiriert. Bei unseren „Open House Lectures“ laden wir externe Kreative ein, die uns ihre Ansätze für deren Kreationsprozesse näher bringen. In unseren „Colab Meetings“ arbeitet ein Team innerhalb einer Woche ein Thema aus und stellt es den anderen vor. Bei unseren „Tuesday Lunches“ essen wir im großen Workshopraum gemeinsam zu Mittag und tauschen uns in lockerer Atmosphäre aus. Dadurch hat sich in all unseren Häusern auch eine gute Subkultur etabliert und das gemeinsame Mittagessen muss gar nicht mehr angeordnet werden, da alle oft auch so gemeinsam Mittagessen oder den einen oder anderen Abend gemeinsam verbringen. Jedenfalls freuen wir uns, dass wir nun alle wieder live sehen können.
Mit unseren „Sixty Minutes“ können alle im Haus den anderen ein Thema vorstellen, dass ihn oder sie interessiert oder inspiriert.
Michael Ostertag | Partner bei SCHMIDHUBER
Woher kam der Impuls für diese Formate und wie sind sie entstanden?
Ich glaube, die meisten dieser Formate sind zwischen unserem Marketing Team und mir entstanden. Gemeinsam verantworten wir die Themen interne und externe Kommunikation. Das gemeinsame Mittagessen hier im Viertel läuft schon eher automatisch als geplant und bringt alle zusammen. Da wir unseren Leitsatz „Wir denken in Lösungen und nicht in Disziplinen“ sehr stark leben, setzen wir unsere Teams projektbezogen mit den richtigen Köpfen zusammen. Bei den „Sixty Minutes“ sollen die Leute viel mehr über beispielsweise tolle Urlaubserlebnisse sprechen, die sie inspiriert haben, als zum x-ten Mal über Digitalisierung oder New Work. Vor kurzem war eine Mitarbeiterin auf einem Bambus-Workshop und wollte das unbedingt teilen. Dieses Format lebt von seiner Spontanität und den neuen Impulsen für die anderen.
Wir werden von Spezialist:innen immer mehr zu Generalist:innen.
Michael Ostertag | SCHMIDHUBER
Was würden Sie denn jungen Gestaltern noch mit auf den Weg geben?
Was mir spontan einfällt: früher war unsere Disziplin und die Gestaltung sehr geprägt von Charakteren, die in einer Sache sehr gut waren und andere Dinge wenig bis gar nicht konnten. Heute hingegen merke ich, was uns und auch jungen Gestaltenden alles abverlangt wird. Wir werden von Spezialist:innen immer mehr zu Generalist:innen. Leuten die alles können sollen. Ihr seid jetzt mehr oder weniger noch in einer sehr freien Phase eures Lebens und solltet in jedem Falle Energie dafür aufwenden, etwas zu finden, in dem Ihr gut seid und an dem Ihr auch langfristig Spaß habt. Das ist der größte Skill. Ob das in der Hochschule oder außerhalb passiert ist egal. Ich glaube, das Allerwichtigste in der heutigen Zeit ist, dass man ein gutes Gefühl hat, weil man sinnstiftend arbeitet oder etwas bewegen kann.
Haben wir als Gestalter auch einen Bildungsauftrag? Ist es für uns nicht wichtiger, eine gewisse Geisteshaltung zu transportieren als neue Produkte zu gestalten, gerade im Kontext New Work Culture?
Unbedingt. Wobei ich New Work Culture zu kurz, zu klein gefasst finde. Vor fünf, sechs Jahren gab es mal den Ansatz des „Design Thinking“. Das war der Versuch Design weiter oben anzusiedeln. Unternehmen haben versucht, dem Management Gestaltung beizubringen, um prozessual auf ganz andere neue Lösungen zu kommen. Sicherlich war das ein spannender Ansatz. Was den Bildungsauftrag angeht, finde ich müssen wir schon viel früher bei unseren Kindern ansetzen. Ob dieser dann über Gestaltung oder viel mehr über den Austausch und soziale Beziehungen läuft, ist eine andere Frage. Nichtsdestotrotz ist Gestaltung ein Kultur beeinflussendes Instrument und nicht nur relevant für Unternehmenserfolge. Was uns wieder zurück führt zur vorgelebten Unternehmenskultur.
Wie hat sich denn retrospektiv Ihr Arbeitsalltag im Laufe Ihrer Karriere verändert?
Ich habe meine Arbeit immer so verstanden, dass ich da helfe und unterstütze, wo es gerade nicht so läuft, wenn Probleme gelöst oder Dinge verändert werden müssen. Gleichzeitig habe ich mich aus Themen zurückgezogen, bei denen ich gemerkt habe, da läuft´s. Also war es lange eher situatives arbeiten. Ich bin eingestiegen als Architekt für Details. So wurde ich wahrgenommen und es ergab sich irgendwann die Möglichkeit mich mehr in die Unternehmensführung einzuarbeiten und mich zu entwickeln. Schließlich kam ich in der obersten Unternehmensführung an, in der ich 14 Jahre gearbeitet habe. Jetzt bin ich viel stärker an Kunde:innen und an der Entwicklung von Konzeptionen und Strategien beteiligt. Ich denke, dass es gut ist, den Arbeitsalltag hier und da zu verändern und sich auf Neues einzulassen. Auch, um eine gewisse Altersüberheblichkeit zu umgehen. Viele älter werdende Kreative gehen gerne den Weg des kleinsten Übels, weil sie im Laufe ihrer Karriere schon zig Kämpfe mit Kund:innen gefochten haben oder Niederlagen in Wettbewerben hinnehmen mussten. Dann zu sagen, den Aufwand ist die Sache nicht wert, möchte ich vermeiden. Deswegen arbeite ich gerne mit jungen Gestaltenden zusammen. Diese arbeiten und agieren oft aus Neugier und der Moment des „etwas zum ersten Male Tuns“, birgt eine Magie in sich. Aus dieser Magie heraus entstehen neue Themen. Da ist es dann umso wichtiger, dass man etwas auch zum sechsten Mal versucht, wenn es fünf Mal nicht zum Erfolg geführt hat.
Diese vorgelebte Unternehmenskultur können Menschen ja auch in ihr privates Umfeld transportieren und diese weitergeben – vom Manager bis zum Praktikant.
Ja klar. Das ist auch wichtig, wenn man sich dem Thema Marke nähert. Corporate Identity wird häufig nur unter dem Designaspekt gesehen. Dabei fußt diese Identität auf den drei Säulen: Design, Charakter und Verhalten. Wie sind wir wirklich? Wie leben wir miteinander? Wie gehen wir miteinander um? Bei diesen Fragen entzaubern sich manche große Marken durch ein Verhalten, was sie nach außen verkaufen, aber nach innen nicht leben. Also ist das vielleicht der Bildungsauftrag der Arbeitgebenden, diese Kultur konsequent vorzuleben.
Bei Praktikant:innen stelle ich oft fest, dass diese schon mit einem gesunden Selbstbewusstsein sehr selbstständig agieren und arbeiten. Wenn ich auf mein Studium zurückblicke, stelle ich fest, dass heute die Abläufe viel schneller und enger getaktet sind. Ich habe acht Jahre studiert und hatte lange Zeit mich weiter zu entwickeln.
Ich glaube es ist enorm wichtig, dass man den Fokus im Rahmen des Studiums auch auf die Art der Ideenfindung lenken sollte, oder wie man mit Menschen gemeinsam ein gutes Zielbild entwickelt und somit dann gute Ergebnisse erzeugen kann. Generell habe ich den Eindruck, dass Lehre und Realität schon etwas auseinandergedriftet sind. Wir hatten früher wahnsinnig gute Architekt:innen als Professor:innen, die leider keine guten Lehrerenden waren. Bis heute hat sich da kaum etwas verbessert im Vermitteln von Wissen. Es wird meiner Meinung nach immer wichtiger die Kollaboration von Lehre und dem was in der Welt geschieht zu fördern – einfach auch um Studierende besser mitzunehmen. Wir leben in einer so schnelllebigen Zeit, dass das was heute gelehrt wird in vier Jahren auf unserem Markt an Relevanz eingebüßt haben wird. Vielleicht wäre ein neues Format sinnvoll, das die Zusammenarbeit zwischen Agenturen bzw. Büros und der Lehre mehr zulässt.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Wir bleiben gespannt, was sich rund um das Thema New Work in der nächsten Zeit tut.
Gerne wieder. Ich bedanke mich ebenfalls bei euch, denn ich konnte auch einiges mitnehmen. Abschließend noch ein Gedanke zum Thema New Work. Mich hat dabei am meisten bewegt, dass dies mehr ein empirisches Testfeld ist, in dem wir uns momentan bewegen. Manche Menschen propagieren Themen und vermitteln den Eindruck, als wüssten sie wie es geht. Das glaube ich allerdings nicht, denn wir sind noch sehr frisch in dieser Phase. Es ist ein tolles Thema für Forschung und Lehre. Daher bin ich sehr gespannt auf euer Magazin, weil ihr unterschiedliche Perspektiven zusammentragen werdet.
Michael Ostertag im Interview mit Sinisha Hapke, Nida Colak und Felix Zaglauer von der Hochschule Mainz; Master Kommunikation im Raum SoSe 2022.
Weitere
Projekte
Projekte, Inhalte und Themen, die sie auch interessieren könnten:
You Win!
Trumpf | Euroblech
BSH Headquarter Schweiz
BSH | Future Work
There is no place #LikeABosch
BSH Bosch | IFA
Say hi to Intelligence.
BSH Siemens | IFA
Offene
Fragen?
Ruf uns an:
+49 89 157997-0
Oder schreib uns:
info@schmidhuber.de